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Das Thema „Männergesundheit“ aus der Tabuzone holen

Aus Urologie Inside 02-2024


Interview mit Dr. Maria Sprinz, angehende Urologin am Franziskus-Krankenhaus, Berlin und Influencerin auf TikTok und Instagram für urologische Themen.

Influencer gibt es mittlerweile wie Sand am Meer, aber eine Urologin, die über Männergesundheit aufklärt, sticht mit ihren Beiträgen erfrischend aus der Masse heraus. Wir haben mit Dr. Maria Sprinz über Ihren aktuellen Berufsalltag zischen Krankenhausdiensten und digitaler Aufklärungsarbeit gesprochen.

 

Liebe Frau Dr. Sprinz, nur 1,4 % der Medizinstudierenden (Quelle: Berufsmonitoring Medizinstudierende) würden sich jetzt für die Fachrichtung Urologie entscheiden. Warum haben Sie die Urologie gewählt und warum denken Sie sagen 34,7 % die Fachrichtung kommt für sie definitiv nicht in Frage?

Die Urologie ist ein außerordentlich vielfältiges Fachgebiet mit einem breiten Behandlungsspektrum und einer diversen Patientengruppe. Zudem schätze ich die kollegiale Atmosphäre in unserem Team sehr. Mein Weg in die Urologie begann mit einer Famulatur, gefolgt von meinem Praktischen Jahr, das ich im Franziskus Krankenhaus – meinem jetzigen Arbeitsplatz – absolvierte. Diese positiven Erfahrungen haben meine Entscheidung für dieses Fachgebiet maßgeblich beeinflusst.

Ein weiterer Aspekt, den ich sehr schätze, ist die berufliche Flexibilität, die die Urologie bietet – sowohl Möglichkeiten in der Klinik als auch Perspektiven für eine spätere Niederlassung. Besonders motivierend finde ich, dass wir oft mit relativ einfachen Interventionen eine signifikante Verbesserung des Gesundheitszustandes unserer Patienten erreichen können. Ein Beispiel hierfür ist die Behandlung von Nierensteinen: Durch eine Harnableitung können wir akute Schmerzen lindern und dem Patienten rasch Erleichterung verschaffen. Diese unmittelbaren positiven Auswirkungen unserer Arbeit empfinde ich als sehr befriedigend.

Bezüglich der Frage, warum nicht mehr Mediziner:innen die Urologie wählen, beobachte ich tatsächlich einen positiven Trend. Das Interesse an unserem Fachgebiet scheint zuzunehmen, wie die steigende Teilnehmerzahl bei den PJ-Vorstellungen an der Charité zeigt. Allerdings existiert möglicherweise noch die Vorstellung, die Urologie sei eine männerdominierte Disziplin. Zudem könnte die begrenzte Exposition während des Studiums – wir hatten lediglich ein kurzes Praktikum und wenige Vorlesungen – dazu führen, dass viele Studierende die Urologie nicht als potenzielle Fachrichtung in Betracht ziehen.

Sie betreiben auf TikTok und Instagram mit @answeringforafriend erfolgreich einen eigenen Kanal. Erzählen Sie doch mal, was Sie da machen und warum?

Mit meinen Kanälen möchte ich dazu beitragen, das Thema Männergesundheit aus der Tabuzone zu holen. Auf die Idee bin ich gekommen, weil besonders die männlichen Bekannten in meinem Freundeskreis plötzlich großes Interesse an meinem Berufswunsch hatten und mir zahlreiche Fragen zu urologischen Themen gestellt haben. Dadurch wurde mir bewusst, dass es zwar bereits gute Aufklärungsarbeit und -möglichkeiten für Frauen gibt, insbesondere in den sozialen Medien, die Männergesundheit jedoch vergleichsweise unterrepräsentiert ist. Deshalb habe ich quasi an meinem ersten Arbeitstag @answeringforafriend ins Leben gerufen. Tatsächlich reizte mich auch die Vorstellung, dass ausgerechnet eine junge, angehende Urologin beginnt, diese Barrieren abzubauen.

Warum denken Sie sind viele Themen in der Urologie immer noch so schambehaftet, dass man sie nur „für einen Freund“ fragen kann?

Die Zurückhaltung von Männern bei gesundheitlichen Themen lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Im Gegensatz zu Frauen, die in der Regel jährlich eine gynäkologische Untersuchung wahrnehmen, fehlt Männern oft ein vergleichbarer Ansprechpartner für ihre gesundheitlichen Belange

Darüber hinaus spielt die gesellschaftliche Sozialisation eine bedeutende Rolle. Männer neigen dazu, weniger über ihre Probleme zu sprechen, was teilweise auf den empfundenen Leistungsdruck zurückzuführen ist. Besonders deutlich wird das bei sensiblen Themen wie Erektionsstörungen. Im Vergleich zu Frauen, die in ihren Freundeskreisen tendenziell offener über gesundheitliche Probleme und Krankheiten sprechen, scheinen Männer untereinander weniger Bereitschaft zu zeigen, solche Themen anzusprechen.

Diese Kombination aus fehlendem medizinischem Bezugspunkt und gesellschaftlichen Erwartungen trägt dazu bei, dass Männer oft zögern, ihre gesundheitlichen Anliegen offen zu thematisieren und anzugehen.

Was war Ihr bisher erfolgreichster Post und warum?

Mein bisher erfolgreichster Beitrag in den sozialen Medien behandelt das Thema „Was dir beim Urologen oder der Urologin nicht peinlich sein muss“. Dieser Post erreichte über eine halbe Million Aufrufe und etwa 4.000 Likes. Der Inhalt zielt darauf ab, gängige Ängste und Unsicherheiten im Zusammenhang mit urologischen Untersuchungen abzubauen.

In dem Beitrag spreche ich offen über Situationen, die viele Patienten als peinlich empfinden könnten. Dazu gehören beispielsweise das Auftreten einer Erektion, die Tastuntersuchung oder Reste von Stuhl im Analkanal. Ich betone dabei, dass all dies normale Vorkommnisse sind, die Urologen und Urologinnen routinemäßig begegnen. Zudem weise ich darauf hin, dass der behandelnde Urologe durchaus auch eine Frau sein kann. Der große Zuspruch zu diesem Beitrag zeigt, dass viele Menschen nach wie vor Respekt oder sogar Angst vor urologischen Untersuchungen haben. Dies liegt vermutlich daran, dass solche Arztbesuche für die meisten keine Routine darstellen. Offenbar war es für viele Betrachter ermutigend zu sehen, wie offen und unverkrampft mit dem Thema umgegangen werden kann.

Mit welchen Ängsten und Nöten kommen Ratsuchende über Social-Media auf Sie zu?

Häufig wenden sich Menschen mit medizinischen Fragen an mich, oft in der Hoffnung auf eine zweite Meinung. Ich kommuniziere klar, dass mein Account in erster Linie der Aufklärung dient und ich keine konkreten medizinischen Ratschläge erteile.

Meine Rolle sehe ich vielmehr darin, die Menschen zu ermutigen, bei gesundheitlichen Bedenken professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich motiviere sie, sich für eine gründliche Abklärung an niedergelassene Urologen und Urologinnen zu wenden. Es ist mir ein Anliegen, deutlich zu machen, dass eine fundierte medizinische Beratung nicht über Social Media geleistet werden kann und sollte.

Haben Sie mehr männliche oder weibliche Follower, was ist deren Durchschnittsalter und welche Rückschlüsse können Sie daraus ziehen?

Interessanterweise zeigt sich eine deutliche Geschlechterdifferenz in meiner Followerschaft auf verschiedenen Social-Media-Plattformen. Auf TikTok überwiegen männliche Follower, und das über alle Altersgruppen hinweg. Überraschenderweise erreiche ich dort sogar Nutzer über 50 und vereinzelt auch über 60 Jahre – eine Altersgruppe, von der ich nicht erwartet hätte, dass sie auf TikTok aktiv ist. Im Gegensatz dazu ist meine Instagram-Anhängerschaft überwiegend weiblich.

Diese Verteilung lässt sich meiner Meinung nach auf unterschiedliche Faktoren zurückführen. Zum einen spielt das spezifische Nutzungsverhalten der jeweiligen App eine Rolle: Wer bevorzugt welche Plattform und wie wird der Content dort konsumiert? Zum anderen ist der Algorithmus der jeweiligen Plattform entscheidend. Er bestimmt, in welchen „Blasen“ oder Nutzergruppen meine Videos vorrangig ausgespielt werden.

Wie beeinflusst Ihre Tätigkeit auf Social-Media Ihre direkte Arbeit mit den Patientinnen und Patienten in der Klinik und andersherum?

Ich denke, dass meine Online-Präsenz durchaus positive Auswirkungen auf meine Tätigkeit in der Klinik hat. Insbesondere habe ich den Eindruck, dass ich im klinischen Alltag ein höheres Maß an Awareness und Empathie entwickelt habe. Viele Nutzer äußern ihre Dankbarkeit dafür, dass medizinische Sachverhalte endlich in verständlicher Sprache erklärt werden. Diese Rückmeldungen haben mir vor Augen geführt, wie leicht man als medizinisches Fachpersonal in einen Fachjargon verfallen kann, der für Patientinnen und Patienten oft schwer verständlich ist.

Ich achte nun im Klinikalltag verstärkt darauf, medizinische Informationen klar und allgemeinverständlich zu vermitteln. Letztendlich trägt dies zu einer verbesserten Arzt-Patienten-Beziehung und einer effektiveren Gesundheitsversorgung bei.

Mit welchen Vorurteilen haben Sie als junge Urologin im Berufsalltag zu kämpfen?

Zu den häufigsten Herausforderungen gehört, dass man als junge Ärztin nicht immer ernst genommen wird. Es kommt vor, dass Patienten und Patientinnen nach der Behandlung fragen, wann denn der Arzt käme, oder dass man fälschlicherweise als „Schwester“ angesprochen wird.

Ich nehme diese Situationen jedoch nicht persönlich und reagiere nicht gekränkt darauf. Stattdessen kläre ich die Missverständnisse in der Regel freundlich auf. Oft ist es den Patienten dann sehr unangenehm, wenn sie ihren Irrtum bemerken. Ich betrachte diese Vorfälle als Teil eines größeren gesellschaftlichen Wandels und als Gelegenheit, Stereotype abzubauen.

Was die Urologie im Speziellen betrifft, habe ich interessanterweise keine geschlechtsspezifischen Probleme erlebt. Es gab bisher keine Situation, in der ein Patient die Behandlung durch mich aufgrund meines Geschlechts abgelehnt hätte.

Wie schaffen Sie den aktuellen Spagat zwischen normaler Patientenversorgung, Doktorarbeit und der Aufklärungsarbeit auf TikTok und Instagram?

Glücklicherweise habe ich meine Doktorarbeit bereits abgeschlossen, was eine erhebliche Erleichterung darstellt. Obwohl die Kombination aus klinischer Arbeit und zusätzlichen Aktivitäten zweifellos herausfordernd ist, stelle ich fest, dass der Klinikalltag mit zunehmender Erfahrung leichter zu bewältigen ist. Die wachsende Routine ermöglicht es mir, effizienter zu arbeiten und gelegentlich sogar früher Feierabend zu machen.

Es stimmt, dass ich manchmal Zeit nach Nachtdiensten, an Wochenenden oder während des Urlaubs für meine Social-Media-Aktivitäten aufwende. Das empfinde ich aber nicht als Belastung, sondern vielmehr als eine willkommene Abwechslung und Ergänzung zu meiner klinischen Tätigkeit.

Haben Sie aufgrund Ihrer medialen Tätigkeit mittlerweile auch Anfragen als Beraterin/Expertin für andere Formate zu arbeiten und könnten Sie sich vorstellen diesen Bereich Ihrer Selbständigkeit weiter auszubauen?

Kürzlich hatte ich eine äußerst aufregende Erfahrung: Ich wurde zu einem Gastauftritt in der Social-Media-Präsenz der ZDF-Sendung „37 Grad“ eingeladen. Es war für mich eine große Ehre und Freude, dass die Redaktion auf mich zukam und an meiner Meinung interessiert war. Die Teilnahme bereitete mir großes Vergnügen und eröffnete neue Perspektiven. Was die Zukunft in Bezug auf weitere Medienauftritte betrifft, möchte ich mich bewusst nicht festlegen. Meine derzeitige Tätigkeit in der Klinik erfüllt mich mit großer Zufriedenheit. Ich schätze mein Team sehr, und die Arbeit im Krankenhaus, insbesondere im Operationssaal, bereitet mir große Freude.

Dennoch betrachte ich die sich bietenden Chancen im Medienbereich als wertvolle Gelegenheiten, die ich gerne nutze. Ich bin sehr gespannt darauf, welche Möglichkeiten sich in Zukunft noch ergeben könnten. Mein Ziel ist es, eine Balance zu finden, die es mir erlaubt, sowohl meiner Leidenschaft für die klinische Arbeit nachzugehen als auch mein Engagement in der öffentlichen Gesundheitsaufklärung fortzusetzen. Diese Erfahrungen unterstreichen für mich die Vielfältigkeit des ärztlichen Berufs und die Möglichkeit, über verschiedene Kanäle einen positiven Einfluss auf die Gesundheitsbildung zu nehmen. Ich bleibe offen für neue Herausforderungen und freue mich darauf, meinen Weg in der Medizin weiter zu gestalten, sei es in der Klinik, in den Medien oder in einer Kombination aus beidem.

Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Sprinz.

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