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Die Urologie.

Frauen auf dem Vormarsch: Ein „Männerfach“ wird weiblich?

Eine Analyse von Quynh Chi Le, Goethe-Universität Frankfurt/Universitätsklinikum Klinik für Urologie und Mariam Löwe, Sana Klinikum Offenbach am Main, Klinik für Urologie

Die Medizin wird weiblich und so wie in der Medizin allgemein, steigt der Frauenanteil in der Urologie stetig an. Insgesamt nehmen mehr Frauen als Männer ein Medizinstudium auf. So lag der Anteil weiblicher Medizinstudierenden im Jahr 2022 bei 64 %1. Auch in der Urologie ist in den letzten Jahren ein Anstieg an Ärztinnen zu beobachten: waren im Jahr 2008 nur 11,3% der Urolog:innen weiblich, stieg die Anzahl im Jahr 2021 auf 20,64 % an.

Mit Dora Brücke-Teleky (1879-1963) wurde seit der Gründung (1906) der deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU) erstmals 1911 eine Frau Mitglied der Gesellschaft2. Mit Frau Prof. Margit Fisch wurde erstmalig im Jahr 2021/2022 eine Urologin Präsidentin der DGU. 3Obwohl ein weiterer stetiger Anstieg an Urolog:innen anzunehmen ist, sind Urologinnen weiterhin in Führungspositionen und in der Forschung unterrepräsentiert und benachteiligt.

Urologinnen fehlen an der Spitze

Die aktualisierte Version der Analyse „Medical Women on Top“ vom deutschen Ärztinnenbund aus dem Jahr 2022 zeigt, dass Frauen an der Spitze der Medizin in vielen chirurgischen Fächern weiterhin rar sind. Zwar haben sich seit der initialen Ausgabe von 2016 einige positive Änderungen ergeben, wie die prozentuale Verdopplung von Oberärztinnen in der Urologie von 15% auf 30%, 4wobei die Anzahl weiblicher Klinikdirektionen an medizinischen Fakultäten innerhalb der Urologie von einer Chefärztin im Jahr 2016 auf gerade mal zwei angestiegen ist. Damit teilt sich die Urologie im Jahr 2022 mit der Chirurgie und Neurochirurgie den letzten Platz, was die Anzahl an Klinikdirektorinnen angeht.

Um Chefärztin einer Universitätsklinik zu werden, ist eine Professur Voraussetzung, wofür die Habilitation der gängige Weg ist. Welte etal. zeigten in einer Umfrage innerhalb der DGU aus dem Jahr 2022, dass die Rate habilitierter Urologinnen bei 5,8 % lag5, was im Vergleich zu der Abfrage der Mitgliederdatenbank der DGU aus dem selben Jahr immer noch weit hinter der Rate habilitierter Urologen (10,4%) war. Anhand ihrer Umfrage konnten die Autorinnen zudem zeigen, dass ein Forschungsaufenthalt sowie das Alter als unabhängige Prädiktoren das Erreichen einer Habilitation signifikant beeinflussen. Das Vorhandensein von Kindern war jedoch kein Prädiktor hierfür.

Bezüglich möglicher Aufstiegsmöglichkeiten, werden die Chancen von Urologinnen im Vergleich zu männlichen Kollegen als ungleich wahrgenommen6,7 und ein ausbleibender Karriereaufstieg häufiger mit dem Geschlecht assoziiert. 6Zudem fühlen sich Urologinnen seltener für ihre Leistung wertgeschätzt im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen.6

Die Geschlechter-Diskrepanz zeigt sich auch in der Wissenschaft innerhalb der Urologie, wie zwei Arbeiten aus dem Jahr 2022 zeigen: Urologinnen werden seltener in hochrangigen Journalen publiziert8 und sind zudem seltener in der Redaktion von urologischen Journalen mit hohem Impact-Faktor vertreten.9

All dies ruft zur Veränderung auf, um den Zugang zur Forschung und zu Spitzenpositionen zu optimieren sowie den Mangel weiblicher Vorbilder in der Urologie zu beheben. Wichtig hierbei ist, Chancengleichheit zu schaffen und Urologinnen den beruflichen Aufstieg zu erleichtern sowie Barrieren und Vorurteile abzubauen. Der Zugang zur Forschung sowie zur operativen Ausbildung während der Schwangerschaft sollten unterstützt sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht werden.

Elternzeit ein Risiko für die berufliche Karriere?

Karriere und/oder Familie?

Eine Schwangerschaft während der Weiterbildung kann durch Berufsverbote zu einem Einschnitt in der Weiterbildung und der Karriereplanung werden. In der letzten Weiterbildungsumfrage der German Society of Residents in Urology e. V. (GeSRU) aus dem Jahr 2021 gaben etwas mehr als die Hälfte der schwangeren Ärztinnen an, während der Schwangerschaft operiert zu haben (57 %). Von ihnen würden 97 % in einer erneuten Schwangerschaft wieder operieren wollen. Die Umfrage ergab zudem, dass der Wunsch zur Fortführung der operativen Tätigkeiten während der Schwangerschaft deutlich höher ist, als es der Realität der befragten Ärztinnen entsprach.10 Dabei gibt das Mutterschutzgesetz vor, dass Nachteile aufgrund der Schwangerschaft oder Entbindung sowie ein Berufsverbot gegen den Willen der Schwangeren vermieden werden sollen.11,12 Berufsverbote werden seitens des Arbeitgebers häufig aufgrund des Risikos einer Inanspruchnahme von Haftungsansprüchen ausgesprochen. Aus einem Rechtsgutachten der Medizinkanzlei Mohr aus dem
Jahr 2020 geht jedoch hervor, dass das Haftungsrisiko bei Beschäftigung einer schwangeren Ärztin nicht jenes übersteigt, welches der Arbeitgeber auch sonst zu tragen habe. Eine Umfrage innerhalb urologischer Chefärzt:innen der DGU zeigte jedoch, dass etwa zwei Drittel aller Befragten keine Möglichkeit der operativen Tätigkeiten für schwangere Mitarbeiterinnen sahen.13

Eine aktuelle Umfrage der Ruhr-Universitätsklinik Bochum zeigt zudem, dass viele kinderlose Ärztinnen die Elternzeit als ein Risiko für ihre berufliche Karriere sehen bzw. Ärztinnen, die bereits Elternzeit in Anspruch genommen haben, einen Karriereverlust erlitten. 7Aus der Studie geht hervor, dass männliche Kollegen im Vergleich zu ihren Kolleginnen seltener einen Karriereverlust durch die Elternzeit davontrugen (48 % vs. 67 %). Dies könnte unter anderem daran liegen, dass Ärzte in dieser Umfrage angaben, kürzere Elternzeiten in Anspruch zu nehmen (bis sechs Monate), während Ärztinnen größtenteils mindestens sieben Monate in Elternzeit waren.

Ein Lösungsvorschlag der Autoren nennt sich „skandinavisches Model“ oder auch „Nordic parental leave schemes“. Hierbei gibt es für Mütter und Väter jeweils separate und verpflichtende Mutter- bzw. Vaterschaftsfreistellungen sowie eine individuell zwischen beiden Eltern zuteilbare Elternzeit.14 Am Beispiel Schweden erhalten beide Eltern nach der Geburt eines Kindes gemeinsam 480 Tage Elternzeit, also jeweils 240 Tage pro Elternteil. Von diesen 240 Tagen muss jedes Elternteil 90 Tage selbst in Anspruch nehmen; die restlichen 150 Tage können auf das andere Elternteil übertragen werden.15

Urologinnen fördern – und wie?

Fördermöglichkeiten sind beispielsweise die Gewährleistung einer strukturierten Weiterbildung, die operative Ausbildung während der Schwangerschaft zu unterstützen, betriebseigene Kinderbetreuung mit angepassten Betreuungszeiten an Kliniken einzuführen und den akademischen Karriereweg von Urologinnen zu fördern.

Ein Positivbeispiel zeigt hier ein Blick zu den Nachbarn: Das Antelope-Programm der Universität Basel bietet Ärztinnen unterschiedlicher Stadien ihrer wissenschaftlichen Karriere bis hin zur Professur Unterstützung durch Mentoring-, Training- und Coaching-Programme sowie finanzielle Unterstützung in Form von Stipendien.16 In Deutschland können Ärztinnen (u.a. explizit jene mit Kindern) sich beispielsweise für Stipendien verschiedener Stiftungen und Förderpreise bewerben (einige hiervon sind als QR Codes am Ende des Beitrages zu finden). Eine weitere Option der wissenschaftlichen Förderung können Clinicial Scientist Programme sein, bei denen Ärzt:innen für Forschungstätigkeiten zeitweise freigestellt werden.

Unterschiedliche, flexible Arbeitszeitmodelle können den Bedürfnissen der Ärzt:innen angepasst werden und das starre Konzept einer 40-Stunden-Vollzeitstelle sollte überdacht und aufgelockert werden. Unterschiedliche Modelle können beispielsweise Jobsharing, unterschiedliche Teilzeitmodelle (z.B. eine 80 % oder 75 % Stelle) oder versetzte Dienstbeginne sein. Das erwähnte „skandinavische Modell“ in der Elternzeit-Regelung könnte den beruflichen Wiedereinstieg unterstützen.

Fazit:

Förderprogramme wie das Antelope-Programm der Universität Basel, das skandinavische Modell, eine an die Arbeitszeiten in der Klinik angepasste Kinderbetreuung sowie die Unterstützung der operativen Ausbildung auch während einer Schwangerschaft sind gute Lösungsansätze und können Urologinnen gezielt fördern, einen Zugang zur Forschung zu ermöglichen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen. Das Geschlecht, eine Schwangerschaft oder die Familienplanung sollten in der beruflichen Laufbahn kein bestimmender Faktor sein. Der Ausblick ist ermutigend, und lässt hoffen, dass der Weg bis zur Chancengleichheit kein allzu langer sein wird.


Quellen:
1. Studierende insgesamt und Studierende Deutsche im Studienfach Medizin (AllgemeinMedizin) nach Geschlecht. Statistisches Bundesamt. Accessed July 21, 2024. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Hochschulen/Tabellen/lrbil05.html

2. Dora Teleky-Preis. Accessed July 21, 2024. https://www.urologenportal.de/fachbesucher/urologische-kongresse/76-dgu-kongress/preise-und-ehrungen/ausschreibungen-2024/dora-teleky-preis.html

3. Präsidentin Prof. Margit Fisch eröffnet 74. DGU-Kongress: „Zukunft gemeinsam gestalten“. UroForum. Published September 21, 2022. Accessed July 21, 2024. https://uroforum.de/praesidentin-prof-margit-fisch-eroeffnet-74-dgu-kongress-zukunft-gemeinsam-gestalten/

4. MWoT2022_Web.pdf. Accessed July 19, 2024. https://www.aerztinnenbund.de/downloads/8/MWoT2022_Web.pdf

5. Welte MN, Knipper S, Siech C, et al. Frauenförderung in der Urologie am Beispiel der Habilitation. Urol Heidelb Ger. 2022;61(9):951-958. doi:10.1007/s00120-022-01915-3

6. Analyse des Einflusses der zunehmenden Feminisierung im Gesundheitswesen auf die Urologie. springermedizin.de. Accessed July 19, 2024. https://www.springermedizin.de/analyse-des-einflusses-der-zunehmenden-feminisierung-im-gesundhe/23471310

7. Oberberg S, Enax-Krumova EK, Kruppa C, et al. Career and life planning in the context of the postgraduate medical training – current challenges and opportunities. GMS J Med Educ. 2024;41(1):Doc5. doi:10.3205/zma001660

8. Suarez Arbelaez MC, Nassau DE, Kuchakulla M, et al. Authorship Gender Composition in Urology Literature From 2015 Through 2020. Urology. 2022;165:81-88. doi:10.1016/j.urology.2021.11.041

9. Nguyen AXL, Zorigbaatar A, Bouhadana D, et al. Gender disparity on editorial boards of major urology journals. Can Urol Assoc J. 2022;16(6). doi:10.5489/cuaj.7690

10. Arnold H, Fassbach M, Mattigk A, et al. Weiterbildungs- und Arbeitsbedingungen urologischer Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung in Deutschland. Urol. 2021;60(8):1025-1034. doi:10.1007/s00120-021-01608-3

11. MuSchG – Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium. Accessed July 19, 2024. https://www.gesetze-im-internet.de/muschg_2018/BJNR122810017.html

12. KG.pdf. Accessed July 19, 2024. https://www.wahlers-pr.de/KG.pdf

13. Arnold H, Beck A, Mattigk A, et al. Schwanger in der Urologie! Urol. 2021;60(6):746-752. doi:10.1007/s00120-021-01504-w

14. Shared and Paid Parental Leave. Nordic Council of Ministers; 2019. doi:10.6027/NO2019-055

15. Sweden – Employment, Social Affairs & Inclusion – European Commission. Accessed July 19, 2024. https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1130&intPageId=4808&langId=en

16. antelope. Accessed July 19, 2024. https://www.unibas.ch/de/Universitaet/AdministrationServices/Vizerektorat-Lehre/Bildungsangebote/Graduate-Center/antelope.html

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